Die Begriffe „Trauma“ oder „traumatisch“ werden mittlerweile sehr oft und inflationär in der Öffentlichkeit gebraucht und man glaubt so ungefähr zu wissen, was das ist.
In der Psychologie und Psychiatrie dagegen wird meiner Meinung zu Recht strikt zwischen „schlimm“ und „traumatisch“ unterschieden.
Schlimme Ereignisse können eine „Akute Belastungsreaktion (nach dem WHO-Diagnoseschema ICD 10: F 43.0)“ oder eine „Anpassungsstörung (F 43.2)“ oder „sonstige Reaktionen auf schwere Belastung (F 43.8) oder eine „Reaktion auf schwere Belastung, nicht näher bezeichnet (F 43.9) auslösen.
Während hingegen traumatische Ereignisse eine posttraumatische Belastungsstörung auslösen (F 43.1) können.
Zu betonen ist aber, dass je nach Persönlichkeitstypus, Biographie und sozialem Umfeld ein und dasselbe Ereignis „nicht schlimm“, „schlimm“ oder traumatisch für die betreffende Person sein kann.
Die Kern-Symptomatik einer PTBS, die eine PTBS von allen anderen Belastungsstörungen abgrenzt, sind „intrusive Flashbacks (lat. intrudere: hineinstoßen, und zwar unwillkürlich und nicht steuerbar in das Bewusstsein; engl. flash: Blitz; engl. back: zurück).
Ein Beispiel:
Ein Soldat hat in einem Krieg hautnah miterlebt, wie sein Kamerad durch eine Minenexplosion getötet wird. Angenommen, er entwickelt daraufhin eine PTBS, die nicht behandelt wird. Dann wird es vorkommen, dass er noch Jahrzehnte später emotional und mit Beteiligung aller Sinne „blitzartig zurück“ in dieses Minenexplosions-Szenarium geworfen wird, als wenn dieser Horror sich live noch einmal wiederholt, ohne dass er sich dagegen wehren kann. Ausgelöst werden solche intrusiven Flashbacks durch „Trigger“ (engl.: Auslöser) wie z. B. durch einen platzenden Luftballon eines Kindes oder durch Wörter wie „Krieg“ beim Lesen einer Zeitung.
Angst vor der Hölle, Angst vor dem Teufel/Satan, geistlicher Missbrauch, sexueller Missbrauch oder religiöse, psychische und körperliche Gewalterfahrungen durch z. B. religiöse Gehirnwäsche, religiöse Indoktrination, Psychoterror, Folter oder Vergewaltigung im Namen von Religionen können eine PTBS auslösen.
Licht am Ende des Tunnels kann für Patienten*innen das sogenannte „posttraumatic growth“, wörtl. „das nach-traumatische Wachstum“, sein:
Ehemalige Patienten*innen, die ein Trauma verarbeitet haben, berichten, dass sie jetzt ein glücklicheres und zufriedeneres Leben führen als vor dem Trauma.
Fall:
Im Norden Nigerias entführen und vergewaltigen islamische Extremisten, z. B. (deutsche Übersetzung) „Die Vereinigung der Sunniten für den Ruf zum Islam und den Dschihad“ auch bekannt als „nigerianische Taliban“ oder „Boko Haram“, immer wieder Mädchen und junge Frauen im Namen ihrer Auffassung von Religion.
Schon der islamisch-salafistische Gelehrte und Lehrer des Boko-Haram-Gründers, Scheich Jabar, verstieß seinen Schüler und brandmarkte öffentlich dessen Auffassung vom Islam als unislamisch. Der Islamismus ist in Afrika wie weltweit wieder im Rückzug. Der afrikanische Islam gilt allgemein als toleranter und offener als in anderen Regionen der Welt und integriert, wie auch das afrikanische Christentum, Elemente indigener afrikanischer Religionen. Auch finden sich in Afrika im Vergleich zu anderen Weltregionen verstärkt Nebenströmungen zum Mainstream-Islam wie der Sufismus.
Wer oder was hilft aber den Mädchen, die von Islamisten vergewaltigt wurden und aktuell immer noch werden?
Ortswechsel:
Der Islamische Staat (Daesh) entführte, zwangskonvertierte und vergewaltigte ca. 7000 Mädchen und junge Frauen jesidischer Religionszugehörigkeit aus dem Nord-Irak im Namen ihrer Auffassung von islamischer Religion.
Noch heute (Stand:2021) vegetieren ca. 2000 dieser vergewaltigten Mädchen unerkannt und isoliert in irgendwelchen syrischen Lagern und glauben oft noch, dass sie aus der jesidischen Gemeinschaft verstoßen sind, obwohl „Der hohe jesidische geistliche Rat“ beschloss, die vergewaltigten Mädchen wieder in die jesidische Gemeinschaft aufzunehmen.
Einige Jahre später beschloss dieser Rat allerdings auch, die Kinder, die aus der Vergewaltigung entstanden sind, nicht anzuerkennen aufgrund seiner Auffassung von jesidischer Religion.
Diese Mädchen und jungen Frauen sind also mehrfach gestraft und entwickeln oft eine PTBS, manche das Stockholm-Syndrom, indem sie sich positiv mit ihren Entführern und ihrer Situation identifizieren.
Doch es kommt Bewegung in die Sache, nachzulesen in: Deutsche Welle:
„Sabaya: Film über Rettung von IS-Zwangsprostituierten.“
„Nach IS Vergewaltigungen: Jesidische Frauen wollen Akzeptanz für ihrer Kinder.“
„Vermisste Jesiden. Ein Leben im Verborgenen.“ -
Übrigens: Nach der jesidischen Religion gibt es keine Hölle.
Für die vergewaltigten Mädchen ist „die Hölle“ auf Erden (vgl. die existentialistische Philosophie Sartres) und „die Teufel“ sind die IS-Männer.